Erntedank

Datum: Sunday, 18. October 2020 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 5. Mose 26,1-11

Wir feiern heute das Erntedankfest. Doch woher kommt eigentlich dieses Fest? Im 5. Buch Mose, Kapitel 26,1-11 gibt Gott dem Volk Israel das Gebot, dass sie
– wenn sie dann eines Tages im verheissenen Land sein werden – jedes Jahr die ersten Früchte ihrer Ernte in den Tempel bringen sollen.

Lesung 5. Mose 26,1-11

Sich erinnern

Die Israeliten sollen also die sogenannten Erstlingsfrüchte Gott bringen. Doch dazu gehört noch mehr. Sie sollen sich dabei erinnern an das, was Gott ihren Vorfahren Gutes getan hat, indem er sie aus der Sklaverei in die Freiheit geführt hat. Und sie sollen sich erinnern, was Gott aktuell in ihrem Leben Gutes tut – er beschenkt sie ja mit einer Ernte. Und sie sollen sich daran erinnern, dass Gott seine Verheissung erfüllt hat, denn das Volk Israel lebt ja dann tatsächlich in diesem verheissenen Land, in dem «Milch und Honig fliesst». Diese Wendung «wo Milch und Honig fliest» bedeutet nichts anderes, als ein Land in dem es genug Reichtum hat. Aus der Sicht eines in der Wüste herum ziehenden Nomaden sind Milch und Honig Luxusgüter. Dabei ist mit Honig statt Bienenhonig wohl eher eine Art dicker Traubensirup gemeint – ähnlich wie wir heute den sogenannten Akazienhonig kennen. Milch und Traubensirup, beides auch typische Produkte von sesshaften Bauern.

Aber die Israeliten sollen sich nicht nur an das Gute erinnern, das sie mit Gott erlebt haben. Sie sollen sich auch an die schwierigen Zeiten erinnern. Ihre Vorväter Abraham, Isaak und Jakob waren jeweils Fremde, heute würden wir von Migranten sprechen. Abraham bekam von Gott den Auftrag, sein Heimatland zu verlassen und in ein zwar verheissenes, aber eben doch fremdes Land zu ziehen. Josef wird sogar gewaltsam in ein anderes, fremdes Land gebracht. Das erwies sich zwar dann als Rettung für seine ganze Familie. Aber später wurde es immer mehr zur Not für das neu entstandene Volk Israel. In dieser Not schrieen sie zu Gott. Und mit Gottes Hilfe machte sich das Volk auf den beschwerlichen Weg ins gelobte Land.

Sich erinnern, was Gott Gutes getan hat. Das ist einfach in Zeiten, wo alles rund läuft, wo man eine «gute Ernte» hat. Doch wie macht man das, wenn man grad mitten in einer Krise steckt? Wenn es einem nicht gut geht? Wenn man Gott grad überhaupt gar nicht versteht?

In den Ferien habe ich ein Buch gelesen. Es ist ein biographischer Bericht von Katie, eine junge Frau, die mit 19 ihre Heimat in den USA verlassen hat, um in Uganda Waisenkindern zu helfen. Sie hat da, als alleinstehende, junge Frau, unter anderem 14 Mädchen aus schwierigsten Verhältnissen adoptiert. Ausserdem hat sie ein Hilfsprojekt gegründet, das mittlerweile 1’000 Kinder betreut. Zusätzlich hat sie immer wieder für kürzere oder längere Zeit Menschen in ihr Haus aufgenommen, die im nahegelegenen Spital behandelt wurden und zu weit weg wohnten, sich den Aufenthalt im Spital nicht leisten konnten oder zu schwach waren, um alleine zu wohnen. So war Katie immer wieder sehr direkt mit grosser Not konfrontiert.

Katie erzählt da, wie sie eine 25jährige Frau mit ihren 5 kleinen Kindern in ihr Haus aufgenommen hatte, die HIV positiv war und an Tuberkulose litt. Die Ärzte im Krankenhaus gaben der Frau keine grosse Chance mehr. Aber Katie hatte grosse Hoffnung, dass Gott die Frau heilen würde und pflegte sie neun Monate lang. In dieser Zeit wurde diese Frau zu einer guten Freundin von Katie. Doch die Frau starb. 

Und Katie beschreibt offen und ehrlich, wie sie in der Zeit danach mit Gott gekämpft hat, ihm all ihre Fragen und Zweifel vor die Füsse geworfen hat. Wie sie gerungen hat.

Sie erzählt dann, wie sie in dieser grossen Krisenzeit sich täglich auf Post-it Zettel aufgeschrieben hat, wofür sie trotz allem dankbar war und wie sie diese dann in der Küche an die Wand geklebt hat.

«Und so begann ich, meine eigenen Worte aufzuschreiben, nur für mich. Ich schrieb die vielen Dinge auf, die ein Segen sind. Klebezettel begannen, die Küchenwände zu säumen und alles zu bezeugen, was Gott uns gegeben hat. Ich musste es sehen. Ich musste es glauben. Und so schrieb ich: Klebrige Lutscher und schnelle Entschuldigungen. Lachen um Mitternacht und ein warmes Baby in der Trage. Ein volles Haus, in dem jeder Raum für die Liebe genutzt wird. Schwestern, die helfen. Der Wind in meinen Haaren. Die Küche füllte sich mit diesen kleinen Zetteln, die mir als Erinnerung dienten. Sie wurden zwischen dem Kartoffelschälen und dem Versorgen von Herzen und dem Bücken über den Wäschebergen, wenn die Kinder im Bett lagen, geschrieben.

Wenn mein Kopf keine Ruhe fand, weil ich mich fragte: »Wo ist Gott in diesem Chaos?«, begann mein Herz, die unerklärliche Tatsache zu begreifen, dass er direkt neben mir war. Der eine Segen war groß, der andere war klein, aber es war nicht zu leugnen, dass er überall war. Ich kannte Gottes Gegenwart auf eine Weise, wie ich sie früher nicht gekannt hatte. Die Dankbarkeit heilte mich. Dem Gott zu danken, der gibt und der nimmt und der in jeder Situation mein Erlöser bleibt, hat mein Herz neu auf ihn ausgerichtet und mich stark gemacht.»

Dieser Glaube von Katie hat mich sehr inspiriert und herausgefordert. Gott zu vertrauen, dass er gute Pläne hat, auch wenn man es selber grad gar nicht sehen kann. Zu glauben, dass er einem ans Ziel führt und nie verlässt. Und zu entdecken, dass ihr Gott gerade in dieser Not so begegnet ist, wie noch nie zu vor.

Zusammen ein Fest feiern

Zum Erinnern gehört auch das Fest. «Du sollst dich freuen» ist eine Umschreibung für «du sollst ein Fest feiern». Der Dank gegenüber Gott soll in einem Fest zum Ausdruck kommen. Etwas weiter vorne, im Kapitel 16, gibt Gott dem Volk die Anweisung, dass sie dieses Fest sieben Tage lang feiern sollen und zwar zusammen mit ihrer Familie. Doch auffällig ist, dass die Israeliten nicht nur mit ihrer eigenen Familie feiern sollen. Sie sollen auch mit den Leviten feiern. Die Leviten, das sind die Angehörigen des Stammes Levi. Sie wurden von Gott dafür ausgewählt, dass sie im Tempel dienen durften. Sie dienten als Priester, als Sänger und Musiker, hatten den Tempel zu reinigen und die Vorräte zu verwalten. Sie taten dies stellvertretend für das Ganze Volk. Als einziger Stamm bekamen sie kein Land als Erbe. Dafür war das restliche Volk verpflichtet, ihnen Tempelabgaben zu geben. Deshalb konnte ein Levit eigentlich auch kein Erntedank feiern – er hatte ja kein eigenes Land. Doch damit die Leviten nicht leer ausgingen, wurden sie von den anderen Israeliten eingeladen zum Fest. 

Doch nicht nur die Leviten sollten eingeladen werden, sondern auch die Fremden im Land. Auch sie sollten beim Fest nicht leer ausgehen. Niemand soll alleine bleiben, wenn das ganze Volk feiert, Gott für die Ernte dankt und ihn anbetet!

Gutes tun

Diese Anweisung für den Erntedank, die gelten ja zunächst mal dem Volk Israel. Sie sollen diese ersten Früchte als Opfer in den Tempel bringen. Aber wie ist das nun heute, für uns? Den Tempel gibt es nicht mehr. Und das neue Testament macht ja deutlich, dass es seit dem Tod und der Auferstehung von Jesus keine Tiere oder Pflanzen als Opfer braucht. Welche Bedeutung hat dann das Erntedankfest?

Als Fest wird es im Neuen Testament nicht erwähnt. Doch Dankbarkeit gegenüber Gott für das, was man empfangen hat, das ist auch im Neuen Testament ein wichtiges Thema. So heisst es zum Beispiel im Brief an die Hebräer:

  • «Durch Jesus nun wollen wir Gott ein immer währendes Dankopfer darbringen: Wir wollen ihn preisen und uns zu seinem Namen bekennen. Und vergesst nicht, Gutes zu tun und einander zu helfen! Das sind die Opfer, an denen Gott Freude hat.»
    Hebräer 13,15-16 (NGÜ)

Anstatt Tiere oder Pflanzen zu opfern sollen wir also Gott loben für das was er getan hat und preisen für das was er ist, uns zu seinem Namen bekennen.

Dazu kommt, dass wir Gutes tun sollen und einander helfen sollen – andere übersetzten «miteinander teilen». Dankbarkeit hat also zwei Richtungen: Hin zu Gott, indem wir ihn loben und hin zu unserem Mitmenschen, indem wir helfen und teilen. 

Amen

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