Siehe, ich gebe dir ein weises und verständiges Herz
Serie: | Bibeltext: 1. Könige 3,5-15
Die Menschen in der Bibel
Viele historische Bücher, die von Zeitgenossen bekannter Herrscher geschrieben wurden, stellen diese als glänzende, fehlerlose Helden dar. Egal ob das nun bei den Ägyptern, Assyrern, Persern, Griechen oder Römer war.
Ganz anders die Bibel: Sie zeigt uns Mensch mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Erfolgen und Niederlagen. Ausser Jesus gibt es in der Bibel keinen Helden, der nicht auch Fehler oder Schwächen hatte. So ist es auch bei Salomo und bei seinem Vater, dem König David. Mitunter das macht für mich die Bibel glaubwürdig.
Helden sind zwar auch in der Bibel Helden. Aber man lernt auch ihre Schattenseiten kennen. Das macht sie nahbar. Deshalb können wir uns leichter mit ihnen und ihrem Leben identifizieren. Und das tröstet mich über meine Fehler, meine Schattenseiten hinweg. Gott hat seine Geschichte nicht mit makellosen Superhelden geschrieben, sondern mit echten Menschen aus Fleisch und Blut. Also kann er auch mit meinen Schwächen fertig werden, kann er auch mich und dich gebrauchen. Ausserdem ermutigt es mich, dass die wahren Helden nach einem Fehler wieder «aufgestanden» sind.
König Salomo
Salomo war erst vor kurzem zum König gesalbt worden. Wie schon sein Vater David war Salomo nicht der Erstgeborene, der nach menschlicher Logik Thronfolger gewesen wäre. Salomo kommt erst an zehnter Stelle in der Geburtsliste der Söhne Davids (vgl. 1.Chr 3,1-5). Und so ist der Salbung von Salomo zum König eine haarsträubende Serie von Intrigen, Verrat und Machtkämpfen vorausgegangen. Einige seiner älteren Brüder hatten versucht, selber an die Macht zu kommen. Doch Gott hatte sich Salomo zum Nachfolger von David erwählt. Und so kam es, dass Salomo als neuer König gesalbt wurde. Als dann sein Vater David starb, da bestieg Salomo den Königsthron.
Wer diese Geschichte aufmerksam liest, dem fällt auf, dass Salomo von Anfang an sowohl gute wie auch schwierige Seiten hatte. In den vier Versen vor unserem eigentlichen Predigtext lesen wir, dass Salomo die Tochter des ägyptischen Pharao heiratete – also eine Frau aus einer anderen Religion. Weiter heisst es, dass Salomo Gott, den Herrn liebte und dass er wie sein Vater David nach den Ordnungen Gottes lebte. Doch dann heisst es auch, dass Salomo auf den Höhen Opfer darbrachte. Die «Höhen» das sind die Orte, an denen die früheren Bewohner des Landes ihren heidnischen Göttern geopfert hatten. Gott hatte schon durch Mose anordnen lassen, dass die Israeliten nur bei der Stiftshütte (und später im Tempel) ofpern sollen. Und durch die ganze Geschichte des Volkes Israels hindurch ist das einer der grossen Anklagepunkte: Das Volk Israel hat immer wieder auf den Höhen fremden Göttern geopfert und damit den Zorn Gottes auf sich gezogen. Und obwohl es von Salomo heisst, dass er Gott liebte, hatte er offenbar gerade an dem Punkt auch seine Schwäche.
Ziemlich zu Beginn seiner Herrschaftszeit ereignete sich dann die folgende Geschichte: 1. Könige 3,5-15 lesen
Salomo wird uns hier als geistlicher «Held» vorgestellt. Er ist sich bewusst, dass er noch jung und unerfahren ist und er bezeichnet sich selber demütig als Knecht Gottes und als «kleiner Knabe». Er weiss auch, dass er eine grosse Aufgabe vor sich hat. Das Volk Israel ist gross geworden, so dass es Salomo nicht zählen kann (oder will).
Wir wissen auch nicht, ob Salomo selber überhaupt König werden wollte. Im Unterschied zu einigen seiner älteren Brüder hat er nicht aktiv darum gekämpft. Seine Mutter Batseba und der Prophet Nathan haben sich im Auftrag Gottes für ihn eingesetzt. Auf jeden Fall weiss sich Salomo von Gott selber in diese Aufgabe als König berufen.
Und so bittet er Gott um Weisheit. Wörtlich bittet er um ein hörendes Herz. Ein Herz, das auf die Weisungen von Gott hört und das deshalb das Volk «richten» kann. Das hebräische Wort, das mit «richten» übersetzt wird, hat eine grosse Breite von Bedeutungen. Damit ist weit mehr gemeint, als lediglich bei Gericht Recht zu sprechen. Es meint auch die grundsätzliche Bemühung darum, das Rechte zu tun. So präzisiert Salomo seine Bitte: «Zu unterscheiden zwischen Gut und Böse.»
Mit anderen Worten bittet Salomo um das, was er braucht, um seine Aufgabe als König, in die er von Gott gestellt wurde, gut zu erfüllen. Salomo hat sich offenbar Gedanken gemacht, was es braucht, um diesen Dienst zu tun. Und nun, als er die Gelegenheit bekommt, bittet er Gott darum, dass dieser ihn zum Dienst ausrüstet, dass er ihn befähigt Gottes Willen zu tun.
Diese Bitte gefällt Gott, weil sie seinem Willen entspricht. Rund Tausend Jahre später lehrt Jesus seine Jünger:
«Alles, worum ihr in meinem Namen bittet, werde ich tun, damit durch den Sohn die Herrlichkeit des Vaters offenbart wird. Wenn ihr mich in meinem Namen um etwas bitten werdet, werde ich es tun.» Johannes 14,13-14 (NGÜ)
Dabei bedeutet «im Namen von Jesus bitten» nicht, dass wir einfach irgendetwas bitten und dann am Schluss noch «im Namen Jesu» anhängen. Sondern es bedeutet, dass wir in Übereinstimmung mit dem Willen von Gott bitten. Genau in diesem Sinn hat Salomo Gott um ein hörendes Herz gebeten.
Im Textabschnitt, der auf den Predigttext folgt, erfahren wir, wie Gott die Bitte von Salomo ganz konkret erfüllt hat. Salomo muss ein Urteil fällen zwischen zwei Frauen, die beide einen Säugling für sich beanspruchen. Dabei fällt er ein sehr weises Urteil, das sprichwörtlich gewordene «salomonische Urteil».
Doch Gott beschenkt Salomo über seine Bitte hinaus. Er beschenkt ihn mit
- Reichtum
- Ehre
- und mit einem langen Leben, falls er bleibend «auf Gottes Wegen wandelt», das heisst, wenn er auch in Zukunft Gottes Gebote hält.
Um all das hatte Salomo Gott nicht gebeten. Diese Bitten wären nicht falsch gewesen – sonst hätte Gott sie ja nicht erfüllt. Aber Salomo hatte richtig erkannt, dass diese Dinge weniger wichtig waren, als das hörende Herz.
Und wir?
Wie sieht das nun bei uns aus? Worum bitten wir Gott?
Ich denke, bei den meisten Christen ist es so, dass sie oft für sich selber beten – ich schliesse mich da mit ein. Wir beten für Gesundheit und damit ja eigentlich auch für ein langes Leben, dass es uns gut geht, wir genug haben – was oft irgendwie auch mit Reichtum zu tun hat. Das alles ist nicht falsch. Aber es stellt sich die Frage der Prioritäten. Diese Frage muss auch ich mir selber immer wieder stellen. Was ist mir wirklich wichtig?
Salomo hat um das gebeten, was er zu recht als wichtigste Voraussetzung für seine Aufgabe gesehen hat. Und das hat Gott gefallen.
Jesus bringt das gegenüber seinen Jüngern dann so auf den Punkt:
«Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.» Matthäus 6,33 (Luth17)
König Salomo hatte von Gott die Aufgabe erhalten, das Volk Israel zu regieren. Seine erste Priorität war deshalb, das Volk gut, weise und verständig zu regieren.
Als Christen sind wir in das Reich Gottes berufen. Jesus ruft uns in das Reich des Vaters, wir sind berufen, ihm nachzufolgen. Das bedeutet, dass auch wir unsere Prioritäten auf das Reich Gottes ausrichten sollen. Wir sollen zum Beispiel Zeugen für das Reich Gottes sein und wir sind zum Dienst berufen. Zu allererst aber sind wir dazu berufen, Gottes Kinder zu sein! Ben hat das letzten Sonntag mit dem Wort «Heiligung» gut auf den Punkt gebracht: Durch unsere Umkehr zu Gott sind wir «reingewaschen» und gehören zu Gott. Nun ist es unsere Aufgabe uns weiter von Gott reinigen zu lassen in einem Prozess der fortschreitenden Heiligung, bis wir dann in der Ewigkeit vollendet heil sein werden.
Auf diesem Weg der Heiligung sollen wir im Dienst von Gott sein, sollen wir Zeugen sein. Wie das ganz konkret im Leben von jedem Einzelnen aussieht, das kann sehr unterschiedlich sein. Da dürfen wir Gott auch um ein hörendes Herz bitten, um genau das heraus zu finden. Wir dürfen ihn bitten, dass er uns hilft, auf seine Stimme und seine Anweisungen zuhören. Das ist eine Bitte, die voll und ganz dem Willen Gottes entspricht. Und dann dürfen wir Gott bitten, dass er uns gibt, was wir brauchen, um in seinem Reich zu wirken.
Lebenslang
Zum Schluss noch ein Gedanke für diejenigen unter uns, die schon länger Jesus nachfolgen. Vielleicht denkst du: Schön und gut, um Weisheit zu bitten oder darum, was ich brauche, um meinen Dienst für Gott zu tun. Das habe ich alles längst schon getan. Was jetzt?
Ich glaube, es ist wichtig, da dran zu bleiben. König Salomo hat als König einen sehr guten Start hingelegt. Seine Weisheit wurde weit herum bekannt. Doch leider sieht sein Ende anders aus. Als er alt wurde, hat er sich durch die vielen heidnischen Frauen, die er geheiratet hatte, zum Götzendienst verleiten lassen. Er liess auf den Höhen Altäre für alle möglichen und unmöglichen Götzen errichten. Sein Herz war nicht mehr ungeteilt bei Gott. Die zwei heiklen Punkte, die schon am Anfang seines Weges als König kurz anklingen, die werden ihm am Ende seines Lebens zum Verhängnis. Das stürzte ihn und seine Nachkommen ins Unheil und es brachte über das ganze Volk Israel eine grosse Spaltung und viel Leid.
Es ist unglaublich wichtig, an dieser Ausrichtung auf Gott das ganze Leben lang fest zu halten.
Wir bekommen Gottes Gnade einfach so als Geschenk, aber wir können sie durch Ungehorsam verscherzen.
Deshalb ist das auf Gott gerichtete, hörende Herz nicht nur wichtig zu Beginn unseres Glaubenslebens, sondern bis zum Schluss.
Amen.