Jesu reden in Gleichnissen
Serie: | Bibeltext: Lukas 18,1-8, Lukas 16,1-13
Unter Theologen gibt es zwei verschiedene Meinungen darüber, was Gleichnisse bezwecken sollen. Die einen sind der Meinung, dass Gleichnisse für alle auf einprägsame, verständliche Weise die Lehre von Jesus erklären. Andere sind der Meinung, dass die Gleichnisse die Lehre von Jesus eher verhüllen sollen. Doch was sagt Jesus selber dazu? In Matthäus 13,10 fragen die Jünger Jesus, weshalb er in Gleichnissen zu ihnen redet. Hier seine Antwort:
- «Euch ist es von Gott gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen; ihnen ist es nicht gegeben. Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. Das ist der Grund, warum ich in Gleichnissen zu ihnen rede. Sie sehen und sehen doch nicht, sie hören und hören doch nicht und verstehen auch nichts.» Matthäus 13,11-13 (NGÜ)
Es stimmt also beides ein Stück weit. Die Nachfolger von Jesus, also jene, die an ihn glauben, denen offenbaren die Gleichnisse die «Geheimnisse des Himmelreiches». Doch denjenigen, die nicht glauben (wollen), denen verhüllen die Gleichnisse die Botschaft von Jesus. Das ist die traurige Feststellung von Jesus: Wer nicht hören will, der wird auch nicht verstehen.
Abgrenzung zu anderen Geschichten
Jesus erzählt den Menschen viele Geschichten, doch nicht alle Geschichten sind Gleichnisse. Und bei der Auslegung ist es manchmal wichtig, da genau hinzuschauen. Es gibt nämlich zum Beispiel die sogenannte Allegorie. Das ist, wenn ein Bild gebraucht wird als Zeichen für eine andere Sache. Ein Beispiel ist das Bild von Jesus als der gute Hirte. Die verschiedenen Aufgaben, die ein Hirte für seine Herde übernimmt, kann man auf Jesus übertragen. So führt er, beschützt, sucht verirrte Schafe, wacht in der Nacht, und im Unterschied zum «Mietling» also einem angestellten Knecht, gehört dem Hirten die Herde und er passt deshalb mit grösstem Einsatz auf sie auf … Das Bild lässt sich als ganzes übertragen.
Im Unterschied dazu greift ein Gleichnis nur einen oder allenfalls einige wenige Punkte auf. Es gibt da jeweils einen Punkt, auf den Jesus hinaus will, den er unterstreichen will. Der Rest passt dann nicht unbedingt oder hat keinen Bezug.
Mein Lieblingsbeispiel dazu ist, wenn Jesus zu Petrus sagt, dass er nun vom Fischer zum Menschenfischer wird. Da will Jesus auf den einen Vergleichspunkt hinaus, nämlich dass Petrus nun Menschen sammelt – statt im Fischernetz jedoch im Reich Gottes. Und da hört der Vergleich auch schon auf. Weil ein Fischer würde die Fische im Netz ja dann töten, ausnehmen und verkaufen oder in die Pfanne hauen. Ich gehe mal schwer davon aus, dass Jesus das alles nicht auf die Menschen übertragen will …
Gleichnisse handeln häufig vom Reich Gottes. Oft wird ein Gleichnis eingeleitet mit den Worten: Mit dem Reich verhält es sich wie mit …
Darauf folgt eine Erklärung, wie wir uns das mit einem bestimmten Aspekt des Reiches Gottes vorstellen können. Wie es da läuft. Je nach dem fordern die Gleichnisse dann auch unmittelbar dazu auf, das gehörte auf das eigene Leben anzuwenden, sich ebenso zu verhalten. Explizit sagt das Jesus in der Geschichte vom barmherzigen Samariter mit den abschliessenden Worten: «Dann geh und mach es ebenso!» Lk 10,37.
In den Gleichnissen erzählt Jesus etwas aus der unmittelbaren Lebenswelt seiner Zuhörer. Häufig ist es etwas allgemein bekanntes, das regelmässig geschieht, etwa Sauerteig, der unters Mehl gemischt wird, oder ein Weizenkorn, das ausgesät wird, damit es dann wieder Frucht bringt. Allerdings gibt es auch Gleichnisse, die gerade dadurch hervorstechen, dass etwas einmaliges und ungewöhnliches passiert. Etwa wenn ein Kaufmann alles verkauft für die eine kostbare Perle. Oder wenn ein König seinem Schuldner alle seine Schulden einfach so erlässt – alles andere als alltäglich.
Bei Gleichnissen ist es wichtig, gut hinzuschauen und zu überlegen, welches Bild denn in einem Gleichnis für wen steht. Da sollte man nicht zu schnell darüber hinweg gehen. Das möchte ich nun an einem ersten Gleichnis zeigen.
Die Witwe und der Richter (Lukas 18,2-6)
Unmittelbar vor dem Gleichnis redet Jesus mit seinen Jüngern. Von daher ist anzunehmen, dass er sich auch hier an die Jünger richtet. Jesus sagt im ersten Vers, dass es ums Beten geht. Wenn wir uns fragen, wofür denn nun der Richter in diesem Gleichnis steht, dann bekommen wir ein Problem. Denn die Jünger sollen natürlich zu Gott beten. Wer ist dann der Richter, von dem es im Gleichnis gleich zwei mal heisst, dass ihm Gott gleichgültig ist und der am Schluss ausdrücklich als ungerechter Richter bezeichnet wird? So ein Richter kann unmöglich für Gott stehen.
Hier hilft es nun zu wissen, dass die jüdischen Schriftgelehrten nicht nur 1:1 Vergleiche kannten, sondern gerne auch Vergleiche in der Art «vom Grossen zum Kleinen» oder umgekehrt «vom Kleinen zum Grossen» verwendeten. Auch Jesus machte das. Etwa wenn er seine Jünger lehrt:
- «Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!» Matthäus 7,13 (Luth17)
Vom kleinen, hier also den Menschen, schliesst Jesus auf den Grossen, auf Gott. Und so ist es auch beim Richter. Jesus kommentiert das Gleichnis mit den Worten:
- «Habt ihr darauf geachtet, was dieser Richter sagt, dem es überhaupt nicht um Gerechtigkeit geht? Sollte da Gott nicht erst recht dafür sorgen, dass seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen, zu ihrem Recht kommen? Und wird er sie etwa warten lassen? Ich sage euch: Er wird dafür sorgen, dass sie schnell zu ihrem Recht kommen.» Lukas 18,6-8 (NGÜ)
Wenn schon der ungerechte, unmotivierte Richter der Frau Recht verschafft, wie viel mehr wird erst Gott seinen geliebten Kindern Recht verschaffen!
Was heisst das nun konkret für uns? Sollen wir wie diese Witwe Gott ständig und unnachgiebig in den Ohren liegen – ihn quasi so lange nerven, bis er handelt? Ich glaube, das geht voll an der Aussage vorbei. Dann wäre Gott ja eben wie dieser ungerechte, störrische Richter. Aber so ist Gott nicht. Wir dürfen, ja sollen unsere Anliegen vor ihn bringen, aber im Vertrauen, dass er auf uns hört, von Anfang an. Unser Problem ist nicht, dass Gott nicht hören oder nicht reagieren würde. Unser Problem ist, dass Gott oft nicht so handelt, wie wir uns das vorstellen – und manchmal können wir auch einfach nicht verstehen, weshalb Gott anders oder gar nicht reagiert. Aber auch wenn er nicht reagiert, dann heisst das nicht, dass er uns nicht gehört hätte.
Übrigens geht es hier darum, dass die Witte zu ihrem Recht kommen möchte, also zu dem, was ihr zusteht, von Rechts wegen. Oft bitten wir Gott aber um Dinge, die zwar schön und gut sind, etwa Gesundheit oder Wohlergehen. Aber das hat er uns so nicht verheissen, darauf haben wir nicht eigentlich ein Anrecht. Doch das, was er uns verheissen hat, das wird er uns auch geben, wenn wir ihn darum bitten – sehr viel schneller und sehr viel lieber als der ungerechte Richter.
Der ungerechte Verwalter (Lukas 16,1-13)
Kommen wir nun zu einem zweiten Gleichnis. Es ist das Gleichnis vom ungerechten oder untreuen Verwalter und steht in Lukas 16,1-8.
Hier ist klar, dass sich Jesus an seine Nachfolger richtet. Weniger klar ist, wer der «Herr» ist. Die offensichtliche Hauptfigur ist jedoch der Verwalter. Und der ist nicht so einfach auszulegen. Auf der einen Seite wird er als ungerecht oder untreu beschrieben. Auf der anderen Seite wird er gelobt. Doch schauen wir uns an, was er macht.
Er wird angeklagt, dass er das Hab und Gut seines Herrn verschwendet. Ob zu Recht oder zu Unrecht, das wird zunächst nicht gesagt. Und noch bevor er sich verteidigen könnte, steht seine Entlassung schon fest. Der Mann will oder kann auf der einen Seite keine körperlich strenge Arbeit leisten. Auf der anderen Seite will er aber auch nicht betteln gehen. So überlegt er sich, was ihm in dieser Situation für Möglichkeiten bleiben. Er hat nämlich ein Ziel: Er will in die Häuser der Menschen aufgenommen werden. Das ist sein Ziel und das will er nun mit ganzer Kraft verfolgen. Er will am Schluss nicht vor verschlossenen Türen stehen.
Und genau dieser eine Punkt ist der Vergleichspunkt im Gleichnis. Der Mann will nicht vor verschlossenen Türen stehen, sondern Einlass bekommen und überlegt sich deshalb, wie er da vorsorgen kann. In diesem Sinne handelt er klug oder zielgerichtet.
In dem Gleichnis geht es nicht darum, ob sein Handeln moralisch richtig oder falsch ist. Er wird ja als ungerechter Verwalter bezeichnet und als «Sohn dieser Welt». Damit ist für einen jüdischen Zuhörer schon mal klar, dass er nicht ein Massstab für moralisch korrektes Verhalten ist. Er handelt, so wie es von einem «Sohn der Welt» zu erwarten ist. Und natürlich sollen sich die Nachfolger von Jesus nicht so verhalten, wie die Söhne oder Töchter der Welt, sondern wie «Kinder des Lichts». Aber was sie von dem Verwalter lernen können, das ist das Ausrichten auf das Ziel. Kinder des Lichts wollen in die, so wörtlich, «ewigen Zelte» aufgenommen werden – nicht einfach in die Häuser der Menschen. Das ist ihr Ziel. Also sollen sie sich überlegen, wie sie sich im Hier und Jetzt verhalten können, so dass sie dieses Ziel erreichen werden. Sie sollen das, was sie jetzt haben, ganz dafür einsetzen. Dazu gehören auch die Finanzen – hier abschätzig als Mammon bezeichnet. Nicht nur die «Kinder der Welt» können sich mit Geld Freunde machen. Auch die Kinder des Lichts können das – nur wird das bei ihnen ganz anders aussehen. Sie sollen ihren materiellen Besitz so einsetzen, dass sie sich damit einen «Schatz im Himmel» anlegen können. Das Geld, der Mammon, wird hier nicht gelobt, sondern sogar als ungerecht bezeichnet. Aber selbst damit können die Nachfolger von Jesus Gutes tun. Ja sie sind sogar aufgefordert, treu damit umzugehen.
Was heisst das für uns konkret? Die erste Frage ist: Was ist mein grosses Ziel? Wo will ich einmal hin? Der Verwalter wusste genau, was er wollte. Weisst du das auch? Und falls ja, wie sehr willst du das? Der Verwalter setzte alles auf diese eine Karte: Er wollte in die Häuser der Menschen aufgenommen werden. Wie ist das bei mir? Setzte ich auch alles auf eine Karte, um am Ende meines Lebens, wenn ich aufgefordert werde, Rechenschaft abzulegen, dass ich dann in die «ewigen Zelte» aufgenommen werde? Oder anders gefragt: Wie kann ich das, was mir heute anvertraut ist, so einsetzen, dass ich an dieses Ziel komme? Dabei geht es nicht nur um mein Geld, sondern auch um meine Zeit oder meine Gesundheit, meine Gaben, eben all das, was mir anvertraut ist.
Ich frage mich manchmal, ob ich das wirklich schon so ganz verstanden habe. Wenn ich jetzt die Möglichkeit habe, zum Beispiel das Geld, das ich habe, so einzusetzen, dass ich mir damit einen ewigen Schatz im Himmel erwerben kann, müsste ich dann nicht ganz anderes damit umgehen? Lohnt es sich, viel Geld zu investieren, in Wohlstand hier auf dieser Erde? Oder müsste ich nicht viel mehr Geld in das Reich Gottes investieren? Das selbe gilt natürlich auch für meine Zeit etc.
Jesus sagt nicht umsonst: «Da wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.»
Amen.