Gemeinsam Gottes Nähe suchen
Serie: Wir bauen mit Menschen | Bibeltext: Hebräer 10,17-25
Heute ist Palmsonntag, das bedeutet, dass wir uns daran erinnern, wie Jesus mit seinen Jüngern in die Stadt Jerusalem gereist ist unmittelbar vor Ostern. Also das heisst, damals sprach natürlich noch niemand von Ostern, sondern Jesus reiste nach Jerusalem zum Passah Fest, um beim Tempel zu sein.
Jesus kommt, um den Feind Satan und um die Werke des Bösen, die Sünde zu besiegen und damit die Trennung zwischen den Menschen und zwischen Gott aufzuheben.
Doch werfen wir zuerst einen Blick zurück ins Alte Testament. Da ist es so, dass man Gott vor allem im Tempel begegnen kann. Wer Gottes Nähe sucht, der geht zum oder wenn möglich in den Tempel. König David, der Autor von vielen Psalmen beschriebt das so:
«Eines habe ich vom HERRN erbeten, das ist mein tiefster Wunsch:
alle Tage meines Lebens im Haus des HERRN zu wohnen, um die Freundlichkeit des HERRN zu sehen und über ihn nachzudenken – dort in seinem Heiligtum.»
Psalm 27,4 (NGÜ)
Er möchte also am liebsten die ganze Zeit über im Tempel sein, weil er dann Gott nahe ist. Doch in den Tempel kann man nicht einfach so gehen. Da gibt es viele Einschränkungen. Und vor allem das Allerheiligste – da wo Gott verheissen hat dass seine Herrlichkeit gegenwärtig ist – das ist für «Normalsterbliche» nicht zugänglich, selbst der Hohepriester darf nur einmal im Jahr da hinein. Ein grosser Vorhang trennt das Allerheiligste vom Heiligen ab. Aber auch sonst dürfen nur jüdische Männer, welche die entsprechenden Reinheitsgebote eingehalten haben, überhaupt in den Tempel, ins Heilige hinein.
Das ändert sich mit Ostern, mit Tod und Auferstehung von Jesus total! Jesus macht den Weg frei. Und von diesem freien Zugang lesen wir im heutigen Predigttext aus dem Hebräerbrief Kapitel 10, die Verse 19-25.
Gottes Nähe suchen
Der Autor vom Hebräerbrief greift im ganzen Brief immer mal wieder das Bild vom Tempel und vom Tempelgottesdienst in Jerusalem auf. Für jeden gläubigen Juden ist klar: Der Bereich des Menschen ist getrennt vom Bereich Gottes. Die Menschen können von sich aus nicht in den Bereich Gottes kommen. Doch der Tempel ist der Ort, wo sich die beiden Bereiche überschneiden. Als der Tempel in Jerusalem eingeweiht wurde, da erfüllte Gottes Herrlichkeit den Tempel. Der Tempel ist eigentlich wie ein Symbol für die Wohnung Gottes. Er hat in einem gewissen Sinne Ähnlichkeit mit einem Königspalast. Es gibt verschiedene Bereiche und nur wer würdig ist, darf in die inneren Bereiche eintreten. Das Allerheiligste entspricht dann dem Thronsaal. Doch da hatte wie gesagt nur der Hohepriester Zugang. Aber gleichzeitig war auch allen klar, dass der Tempel eben nicht der echte Thronsaal Gottes ist, sondern nur eine Art Abbild davon.
Wir haben nun also einen freien und ungehinderten Zugang zu Gott bzw. zu Gottes Heiligtum, zum Ort wo er ist. Wörtlich heisst es, dass wir einen neuen und lebendigen Weg haben und zwar «durch sein Fleisch». Hinter dieser etwas merkwürdigen Formulierung stecken zwei Gedanken. Zunächst wird Gott selber Mensch. Johannes sagt in seinem Evangelium: «das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns» (Joh 1,14). Der für uns Menschen sonst unsichtbare Gott nahm in Jesus Christus menschliche Gestalt an, lebte unter uns Menschen und zeigte uns den Vater. Wie schon erwähnt, der Tempel ist der Ort, wo Gott für die Menschen gegenwärtig ist. In Jesus Christus war Gott gegenwärtig. Und so war Jesus Christus ein Tempel Gottes.
Vor allem aber hat Jesus dadurch, dass er sich selber, also seinen Leib, sein «Fleisch» als ein Opfer hingegeben hat, den Weg zu Gott frei gemacht. Der Weg war durch unsere Sünde versperrt. Aber diese Sünde hat Jesus ein für alle mal auf sich genommen und aus dem Weg genommen.
Dass Jesus diese Trennung aufhebt wird an Karfreitag durch ein besonderes Symbol deutlich: Als Jesus stirbt, da reisst der riesige Vorhang, welcher im Tempel den Bereich des Heiligen vom Allerheiligsten trennt entzwei. Dieser Vorhang, der das Allerheiligste, den Bereich wo Gottes Herrlichkeit gegenwärtig ist, verhüllt und abtrennt, der reisst entzwei.
Und so dürfen wir nun voll Vertrauen und Zuversicht vor Gott kommen. Das bekannte Lobpreislied «Miutig komm ich vor den Thron» greif diese Situation auf.
Im alten Bund durften nur die Priester eintreten. Bei ihrer Einsetzung ind den Dienst wurden die Priester mit Blut besprengt und vor jedem Dienst mussten sich waschen. Auch das greift der Schreiber des Hebräerbriefes auf und sagt: Als Gläubige Christen sind wir alle in unserem Herzen «besprengt». Die Priester damals wurden nur äusserlich besprengt. Aber dadurch, dass Jesus am Kreuz gestorben ist, dadurch dass sein Blut vergossen wurde, sind wir in unseren Herzen «besprengt». Die Priester mussten sich regelmässig rituell waschen. Wir dagegen sind durch die Taufe ein für alle mal gereinigt. Und so dürfen wir uns Gott nähern, ohne Angst haben zu müssen.
Vielleicht fragst du dich nun, weshalb sollte ich auch Angst haben, vor Gott zu kommen? Nun das liegt vielleicht daran, dass wir als Christen uns das schon lange gewohnt sind. Aber es ist überhaupt nicht selbstverständlich. Im Alten Testament lesen wir, dass die Menschen «verbrannt» wären vor der Gegenwart Gottes. Selbst grosse Propheten wie Jesaja waren sich dessen bewusst. Als Jesaja in einer Vision den Thronsaal Gottes sah, da rief er aus: «Weh mir, ich vergehe!» Jes 6,5. Und selbst Mose, der grosse Mann Gottes durfte Gott nicht von Angesicht zu Angesicht sehen. Gott sagte ihm: «Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.» 2.Mo 33,20. Für die Menschen des Alten Bundes war also klar: Man kann nicht einfach Gott sehen, nicht einfach vor seinen Thron kommen. Das wäre für uns sündige Menschen viel zu gefährlich!
Aber das ist der Kern der guten Nachricht, die Jesus Christus uns gebracht hat. Er hat die Sünde beseitigt und nun dürfen wir vor Gott treten, vor seinen Thron kommen, ohne dass wir Angst oder Zweifel haben müssten!
Das das ist nicht alles: Es dürfen nun alle vor den Thron kommen, nicht nur die Priester, nicht nur Männer, nicht nur Juden. Der Zugang zu Gott ist allen, die an Jesus Christus glauben, direkt möglich. Und so sagt der Hebräerbrief-Schreiber: Also lasst uns diesen Zugang auch nutzen!
Jesus ist unser Hohepriester oder wörtlich der grosse Priester! Ein Priester hat die Aufgabe, zwischen Gott und Menschen zu vermitteln. Im Alten Bund brauchte es ein ganzes Heer von Priestern und dazu noch die Leviten als Helfer. Beides zusammen war ein ganzer Stamm Israels, also rund ein Zwölftel der Bevölkerung. Doch jetzt im neuen Bund da reicht alleine Jesus. Er kann alleine so viel mehr als alle menschlichen Priester je konnten! Er kann ganz direkt zum himmlischen Vater in den echten Thronsaal, nicht nur in den Tempel. Und er kann aber durch den Heiligen Geist zu jedem einzelnen Menschen auf dieser Erde, zu jeder Zeit, an jeden Ort. Jesus allein reicht.
Das bedeutet auch, dass es niemand anderen braucht, keinen menschlichen Priester. Ein Pastor ist kein Priester. Als Pastor habe ich unter anderm zusammen mit der Ge- meindeleitung die Aufgabe die Gemeinde zu leiten. Aber ich bin kein notwendiger Vermittler zwischen Gläubigen und Gott! Natürlich können wir im Glauben vor Gott für andere Menschen einstehen. In der Fürbitte machen wir das ja zum Beispiel regelmässig. Aber Fürbitte ist nicht eine Aufgabe, die nur dem Pastor vorbehalten wäre. Jede und jeder von uns kann diesen Dienst tun und für andere im Gebet einstehen. Vor allem aber kann jeder einzelne Gläubige selber direkt zu Gott kommen, ohne die Vermittlung von jemand anderem. Für sich ganz alleine. Jeder kann Gottes Nähe suchen.
Gemeinsam
Neben dem individuellen Suchen nach Gottes Nähe brauchen wir aber auch die gemeinsame Suche nach Gottes Nähe. Wir brauchen es, dass wir gemeinsam vor Gott kommen. Auch das greift der Autor des Hebräerbriefes auf. Er schreibt, dass wir füreinander verantwortlich sind. Es ist nicht der Priester, der für alle verantwortlich ist, sondern wir alles sind füreinander verantwortlich:
«Und weil wir auch füreinander verantwortlich sind, wollen wir uns gegenseitig dazu anspornen, einander Liebe zu erweisen und Gutes zu tun.» Hebräer 10,24 (NGÜ)
Die Liebe, die wir einander erweisen sollen, die kommt aus dem Glauben und der Hoffnung. Diesen Dreiklang, den wir aus 1, Korinther 13,13 kennen, finden wir auch hier im Hebräerbrief. Im Vers 22 heisst es wörtlich: «So lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in der Fülle des Glaubens.» Und im Vers 23 dann: «Ferner wollen wir unbeirrbar an der Hoffnung festhalten, zu der wir uns bekennen; denn Gott ist treu und hält, was er zugesagt hat.» Wir sollen also im Glauben vor Gott kommen, an der Hoffnung festhalten, dass Gott seine Zusagen hält und dann uns gegenseitig anspornen einander Liebe zu erweisen und Gutes zu tun.
In dem Zusammenhang nennt der Autor auch die Versammlungen oder Zusammenkünfte. Die ersten Christen trafen sich (so lesen wir es in der Apostelgeschichte) im Tempel bzw. in der Synagoge aber auch in den privaten Häusern. Wenn hier von Zusammenkünfte die Rede ist, dann ist vermutlich an beides gedacht. Auf jeden Fall sollen Gläubige die Gemeinschaft nicht verlassen. Die Begründung dafür finde ich interessant. Es heisst nicht: Weil du sonst für dich wichtige Informationen verpasst oder weil du sonst zu wenig Lehre über den Glauben bekommst. Sondern es heisst, weil du sonst die Gelegenheit verpasst, andere zu ermutigen und selbst ermutigt zu werden. Wir sind aufeinander angewiesen. Gerade angesichts dessen, was uns noch bevorsteht, weil der Tag, an dem Jesus wiederkommt, näher rückt. Gerade durch Corona ist mir das bewusst geworden: Informationen oder biblische Lehre kann man auch über YouTube oder Zoom bekommen. Aber damit wir einander gegenseitig ermutigen können, dazu müssen wir uns echt begegnen.
Amen.